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Felicitas Frischmuth

Autorin „am Rand des Bekannten“

Felicitas Frischmuth (1930-2009) schrieb und veröffentlichte seit den 1950er Jahren Lyrik und Prosa. Außerdem verfasste sie eine Vielzahl von Begleittexten zur Kunst, sowie Literatur- und kunsttheoretische Schriften, und widmete sich literarischen Übersetzungen. Felicitas Frischmuth darf als eine der bedeutendsten Autorinnen der saarländischen Literatur des 20. Jahrhunderts betrachtet werden. Preise und Auszeichnungen zeugen von ihren herausragenden Leistungen.

Wortneuschöpfungen, fehlende Zeichensetzung, die Aneinanderreihung von Gedanken und Eindrücken oder scheinbar widersprüchliche Formulierungen prägen das Werk von Felicitas Frischmuth. Die Autorin selbst sprach von einer „Schreibweise der Unordnung“, die ihre Leserinnen und Leser nicht selten vor eine Herausforderung stellt. Umso tiefer trifft es sie in dem Moment, wenn die geschilderten Bilder nachvollziehbar werden.

Der literarische Nachlass umfasst Manuskripte und Typoskripte zu veröffentlichten Werken, unveröffentlichte Texte, Schriften zur bildenden Kunst, sowie Briefwechsel mit Künstlerkollegen, Familie und Freunden. Ihre Tagebücher spiegeln das Leben und Schreiben der Autorin, sowie die Zeitgeschichte.

Eine Auswahl ihrer Prosa:

Nach einer Seite fliegt mein Herz heraus
was vorher schwer war schwebt
Adern und Blutgestänge sind kein Hindernis
für die rasante Fahrt
ich kann nicht schwimmen
ich kann nicht rudern
ungläubig halb betäubt
schaue ich ihm nach
mein Herz ist schneller als ich
es versteht deine Sprache

in: Felicitas Frischmuth: Nach einer Seite fliegt mein Herz heraus. Gedichte. Pfälzische Verlagsanstalt GmbH, Landau/Pfalz. 1985

Wir sägen Holz
Im Nebel verpassen wir den Einschlupf
du machst Feuer es ist feucht
den Buchsbaum wollen wir erhalten
Lebewesen Sachen Pflanzen Mineralien
Tiere Menschen Gegenstände
Zum ersten Mal kommen wir in diese spinnen-
verwobene zugewachsene Laube in euer Haus
in dem alte Gartengeräte Sensen Harken
Rechen Sichel Wetzstein Spaten Messer
Mausefallen verrostete Hacken Besen Schaufeln
Bindfäden Gummischnüren Bast Katapulte Netze
aufbewahrt sind Kolophonium Bienenmaske
alte Waben von vorher zeugen
Jahrhundertstaub
Requisiten auf dem Theaterboden Schätze
wie beim König Alberich
erstarrte Kostbarkeiten fest eingehüllt in den
Kokon der Dauerhaftigkeit
Der unverwüstliche Holunderstrauch
beschattet und behütet im Sommer den Ort
er gibt den Ton an er dünstet aus
er schützt die Vielfalt
Hier fällt die Entscheidung
wir treten ein in den Palimpsest
der unsere Nasen kitzelt
der unsere Sinne provoziert
wir schnuppern an ihm
wir saugen an ihm
wir erkennen sein Bild
Jetzt beginnen wir
von nun an schreiben wir uns drüber
wir sägen Holz wir bleiben

in: Felicitas Frischmuth: Kein Zaun Keine Mauer. Parolen auf ein Haus. Saarbrücker Druckerei und Verlag. 1986